Stevensloop - vom Winde fast verweht
Dicke Regentropfen prasselten gegen die Windschutzscheibe und der Himmel verfinsterte sich, als ich mich auf dem Weg Richtung Nijmegen befand. Wieder einmal Nijmegen, wieder einmal Laufen, wieder einmal Kack-Wetter.
Siebentausend Läufer versammelten sich am 17.03.2019 um die Stevenskerk in Nijmegen. Darunter 2.300 Halbmarathonläufer. Es war also mächtig was los in der ältesten Stadt der Niederlande.
Unter all den Schlechtwetterläufern war ich. Das Läuferknie. Und genau das machte Mucken. Schon seit ein paar Tagen pochte das Wadenbeidenköpfchen links außen. Aber ein Indianer kennt keinen Schmerz und ein Läuferknie schon mal gar nicht.
Professionell dilettantisch tänzelte ich um die Stevenskerk. Dehnte mich leicht, machte halbherzige Lauf ABC Übungen und musterte die anderen Läufer mit einem durchbohrenden Olli-Kahn Gedächtnis Blick, der sagte: „Heute siehst Du nur meine Fersen!“
Der Startblock schlängelte sich in schmalen Gassen um die historische Kirche. Wie moderne Gladiatoren tummelten sich in bunten Plastikponchos eingehüllte Allwetterläufer rund um das romanische Gemäuer. Leichter Regen, milder Wind und Nadelstreifendünne Sonnenstrahlen schwängerten die Geldrische Luft.
Professionell dilettantisch tänzelte ich um die Stevenskerk. Dehnte mich leicht, machte halbherzige Lauf ABC Übungen und musterte die anderen Läufer mit einem durchbohrenden Olli-Kahn Gedächtnis Blick, der sagte: „Heute siehst Du nur meine Fersen!“
Der Startblock schlängelte sich in schmalen Gassen um die historische Kirche. Wie moderne Gladiatoren tummelten sich in bunten Plastikponchos eingehüllte Allwetterläufer rund um das romanische Gemäuer. Leichter Regen, milder Wind und Nadelstreifendünne Sonnenstrahlen schwängerten die Geldrische Luft.
War ich bereit? Nein. Hatte ich Lust? Nein? Wollte ich den Niederländischen Tulpenläufern zeigen, was eine Deutsche Rennschnecke ist? Ja!
Punkt 13:30 Uhr fiel der Startschuss. Das Gedränge war groß. Ich bekam einen holländischen Ellbogen in die Seite. Käse-Klompen trafen meine Hacken. Ich war im Rennen. Aufgepumpt mit Adrenalin, falschem Ehrgeiz und völlig fehlenden Geschwindigkeitsgefühl rannte ich mit einer fünfer Pace über den Weurtseweg in den Westerpark.
Es wurde überfallartig heiß unter meiner winterlichen Softshell-Jacke. Ich brauchte einen Hasen, der nicht zu langsam vor sich her hoppelte, aber auch kein Rennkanickel, was meinen Jagdtrieb erweckte. Schnell musste irgendein Häschen her was zwischen 6’30 und 7’00 lief, sonst würde ich den Hitzetot erleiden. Kurz vor dem Aufstieg zur Oversteek-Brücke hoppelte es mir dann vor die Flinte. Es trug einen violett farbenen Trainingsblusson, der selbst für Holländerinnen zu grell und schräg war, eine bis ans Limit gedehnte Dreiviertel Leggins und hatte den rot-blonden Schopf auf der rechten Seite militant kurz rasiert. Nicht schön, nicht stilvoll, aber genau meine Pace.
Der Anstieg zur Oversteek-Brücke war lang und steil. Oben angekommen, blies ein stürmischer Wind leichten Nieselregen in mein Gesicht. Ich zog das Schlauchtuch über Mund und Ohren und schlug mich in den Windschatten meines halb kahl geschorenen Häschens.
De Oversteek, zu Deutsch die Überquerung, wurde erst 2013 für insgesamt 260 Mio. Euro fertiggestellt und führt auf einer Länge von 1400 Metern in 14 Metern Höhe über den Rhein, der in den Niederlanden auf den Namen Waal getauft ist.
Das Teilnehmerfeld lichtete sich. Auch mein Häschen zog an und ich musste die Leine etwas länger lassen. Auf der anderen Seite der Waal führte die Strecke in einem weiten Bogen nach Nijmegen-Lent. Das Ufer war hier karg, flach und schroff.
Erste Verpflegungsstation. Mein Häschen zog die Handbremse und blieb abrupt stehen. Ich schaltete zwei Gänge runter und nahm im Gehen einen bis zu ein Drittel gefüllten Pappbecher mit Sportlimo zu mir. Noch ein paar Meter gehen, das Häschen an mir vorbeiziehen lassen und dann im Windschatten wieder Fahrt aufnehmen. Aber mein Häschen kam nicht mehr. Suchend blickte ich mich um. Es war verschwunden.
Jetzt bloß nicht zu lange Pause machen. Daher weiter alleine laufen. Wieder zurück Richtung Waal, die Zaligestraat hoch und über die Zaligebrug über einen kleinen Nebenarm der Waal auf eine Insel inmitten des Flusses. Die ersten fünf Kilometer waren geschafft, aber ich auch. Hier draußen auf der Insel Veur-Lent zwischen Spiegelwaal und Waal tobte ein Orkan. Das Atmen viel schwer. Verdammte Holländer. Sie wollten mich in die Knie zwingen und hatten alle Windmühlen in meine Richtung gedreht. Ich musste schnellstmöglich und kraftsparend aus der Windschneise raus. Ein Oxymoron. Ich kämpfte mich mühsam voran und öffnete die Jacke. Schon 176 Puls. Am Ende der Insel führte die Strecke über die Oudelijk zurück auf's Festland. Auf der anderen Seite war's windstill. Dafür knallte hier die Sonne. Nijmegen machte an diesem Sonntag Neuseeland Konkurrenz. Gleich mehrere Klimazonen und Vegetationen konnte man auf den ersten Kilometern durchlaufen. Ich war fix und fertig und trabte im Schatten eines älteren Herren in einer gemütlichen siebener Pace in der mittäglichen Gluthitze vor mich her.
Nahe der Sprokkelenburg war die nächste Verpflegungsstation. 10km waren geschafft. Ich lag noch gut in der Zeit. Aber ich musste mich vom einschläfernden Schritt des Lauf-Opas lösen um auf Kurs zu bleiben. Just in diesem Moment zog eine Lauf-Oma samt Rennradbegleitung an mir vorbei. Eigentlich eine Spur zu schnell, aber wenn ich bloß 5km an ihr dran bleiben könnte, dann wäre die persönliche Bestzeit zum greifen nah.
Unbeeindruckt durch meine Gegenwart machte die Lauf-Oma ihr Ding und zog mich durch de Pas. Die Sonne stand im Zenit und presste mich aus wie eine spätreife Zitrone. Mein rechter Fuß krampfte. Verdammte Plantarsehne. Ich zog meine Zehen an und verringerte die Abrollbewegung. Ein falscher Tritt, ein paar Sekunden zu schnell und ein Monster Krampf würde mich aus dem Rennen nehmen. Trotzdem lieb ich dran. Der Rennradfahrer zog Oma und Oma zog mich.
Ich fingerte mein Handy aus der Kängeru-Tasche und haute Placebo auf meine Ohren. Laut sang ich den Text von "Loud like love" in einer mir abgewandelten Form mit. "Run on an atom, run on a cloud... believe, believe... we are on the run… .“ Der Oma gefiel anscheinend meine Gesangskunst nicht und zog an. Dran bleiben? Nicht dran zu denken. Trotz des akustischen Dopings musste ich nach 14,5km abreisen lassen. Alleine schleppte ich mich noch 500 Meter weiter zur letzten Verpflegungsstation und schüttete mir gleich zwei Becher dieser isotonischen Sportbrühe in den Rachen. Ich war am Ende. Körperlich völlig ausgepowert und von Schmerzen in der Plantarsehne geplagt lagen aber noch ganze 6km vor mir.
Unbeeindruckt durch meine Gegenwart machte die Lauf-Oma ihr Ding und zog mich durch de Pas. Die Sonne stand im Zenit und presste mich aus wie eine spätreife Zitrone. Mein rechter Fuß krampfte. Verdammte Plantarsehne. Ich zog meine Zehen an und verringerte die Abrollbewegung. Ein falscher Tritt, ein paar Sekunden zu schnell und ein Monster Krampf würde mich aus dem Rennen nehmen. Trotzdem lieb ich dran. Der Rennradfahrer zog Oma und Oma zog mich.
Ich fingerte mein Handy aus der Kängeru-Tasche und haute Placebo auf meine Ohren. Laut sang ich den Text von "Loud like love" in einer mir abgewandelten Form mit. "Run on an atom, run on a cloud... believe, believe... we are on the run… .“ Der Oma gefiel anscheinend meine Gesangskunst nicht und zog an. Dran bleiben? Nicht dran zu denken. Trotz des akustischen Dopings musste ich nach 14,5km abreisen lassen. Alleine schleppte ich mich noch 500 Meter weiter zur letzten Verpflegungsstation und schüttete mir gleich zwei Becher dieser isotonischen Sportbrühe in den Rachen. Ich war am Ende. Körperlich völlig ausgepowert und von Schmerzen in der Plantarsehne geplagt lagen aber noch ganze 6km vor mir.
Ich lief an, musste aber schon nach wenigen Metern wieder gehen. Eine kleine indonesisch aussehende Frau in Zebra Leggins überholte mich. Schwerfällig fiel sie Schritt für Schritt vorwärts und drehte dabei den rechten Fuß im 90° Winkel nach aussen. Ich lies sie zehn Meter davon laufen, dann kämpfte ich mich wieder ran, stoppte, ging, lies ihr wieder zehn Meter Vorsprung und kämpfte mich erneut ran. Ganze zwei Kilometer lang spielten wir dieses Katz und Maus Spiel bis zum Anstieg an den Bemmelsedijk. Hier schlossen wir uns einer gestrandeten Laufgruppe an und kämpften uns geschlossen Meter für Meter hoch. Oben auf dem Deich wütete wieder ein Orkan. Es begann zu regnen. Donner ertönte von Fern. Aufgeben? Auf keinen Fall. Ich bekam die zweite Luft. Je stärker der Windsturm wehte, je schneller wurde ich und zog an mehreren havarierenden Läufern vorbei. Dieser Witten machende Lauf wollte mich fertig machen, mich brechen und in der Waal versenken.
Über die Lentse Warande ging es am Fluß entlang. Wie ein Blitz schlug ein stechender Schmerz in beide Waden. Augenblicklich musste ich stoppen und begann zu gehen. Ich hatte es übertrieben. Kurz vor Kilometer 19 erlitt ich Mast- und Schotbruch und musste die Paddel auspacken. Ich konnte keinen Schritt mehr laufen und ging rückwärts den Anstieg zur Parmasingel hoch. Nur noch zwei Kilometer. Ich humpelte auf die verlengde Waalbrug. Der Sturm traf mich aus Westen. Ich schwankte kurz nach links Richtung Fahrbahn und drohte zu kentern. Ein Regenschwall ergoss sich über mich. „Hunderttausend heulende und jaulende Höllenhunde!“ War hier irgendwo eine verstecke Kamera? Das Wetter konnte nicht wahr sein. Ich kämpfte mich Schritt für Schritt über diese alte vermaledeite Eisenbrücke Richtung Innenstadt.
Verstohlen wagte ich einen Blick auf die Uhr. Ich lag gut in der Zeit. Noch war der Zieleinlauf unter 2 Stunden und 30 Minuten möglich. Die Strecke führte am Hunnerpark und Valkhofpark vorbei auf die Bruchtstraat Richtung großer Markt. Das Ziel war nah. Nur noch wenige hundert Meter. Musik ertönte. Dann donnerte es wieder und Erdnussgroße Hagelkörner hießen mich auf die für diesen Lauf gottverdammt typische Art und Weise Willkommen.
Geteert und gefedert fiel ich über die Ziellinie. Eine Schlechtwetter-Besieger Medaille wurde mir über den Hals geworfen.
Ich duckte mich unter hektisch aufgespannten Regenschirmen hinunter durch und suchte Schutz im überfüllten Eingangsbereich von Hema. Was sagte die Uhr? Zwei Stunden, vierundzwanzig Minuten und acht Sekunden. Unglaublich! Persönliche Bestzeit.
Ich wusste es von Anfang an. Bei Fritz-Walter-Wetter ist das Läuferknie zu Höchstleistungen fähig.
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