berden Frühlingslauf – Chroniken des Leidens
Am Morgen des berden Frühlinglaufes (niederl. Voorjaarsloop) bin ich mit starken Kopfschmerzen aufgewacht, die auch bis zum Lauf nicht weg gingen. Verwunderlich war das aufgrund des plötzlichen Wetterumschwungs aber nicht. Samstag herrschten noch Minustemperaturen und es fiel 20cm Neuschnee. Sonntag war strahlender Sonnenschein und 12°C.
Da ich meine Laufsachen bereits Samstag raus gelegt hatte, war ich natürlich viel zu warm angezogen. Mehr dazu aber später.
Die Anreise folgte unproblematisch. Über die A61 ging es über die Grenze, die erste Abfahrt Venlo raus und auf den kostenloses Parkplatz an der Fontys geparkt. In ca. 800m Entfernung war der Start-/Zielbereich am College Den Hulster. Das muss man den Niederländern einfach lassen. Die Organisation der Volksläufe ist immer hoch professionell und so fehlte es uns Läufern im College Den Hulster an nichts. Es gab Toiletten, Umkleide- und ausreichend Aufenthaltsmöglichkeiten, Physiotherapie, Kaffee & Kuchen und jede Menge Musik.
Ich traf eine alte Lauf-Trainerin die 2009-2010 die Office Depot Fit Gruppe zusammen mit Marko Koers betreut hatte und mit Erik Egas einen Arbeitskollegen. Nach einem kurzen Aufwärmprogram, erfolgte schon der Aufruf sich in die Startblöcke zu begeben und ich stellte ich mich in den Abschnitt 7“00. „Noch eine Minute“, hallte es über die Lautsprecher in die Frühlingsluft. Ich war irritiert. Kein Läufer hinter mir. Kein Läufer neben mir. Vor mir klaffte eine Lücke von gut 10 Metern zu den nächsten Läufern. Also schloss ich auf.
Die Läufer um mich herum starteten den Lauf mit einer Pace zwischen 6“00 und 6“20. Das war mal eine Ansage und in der Nachbetrachtung viel zu schnell für mich. Aber ich war schon Letzter und wollte nicht gleich auf den ersten Kilometern eine riesige Lücke klaffen lassen. Irgendwann würde sich schon die Spreu vom Weizen trennen und die sich maßlos überschätzenden Mitläufer langsamer werden. Aber Pustekuchen! Zusammen mit Wiel der Ähnlichkeit mit der verstorbenen Hollywood-Legende Peter O'Toole hatte, blieb ich auf den ersten zwei Kilometern durch Süd-Venlo einsames Schlusslicht.
Als es dann in die Amnesty Internationalstraat ging, gesellte sich mit Mariska und Steph ein Niederländisches Pärchen dazu. Sie blond, groß, hellhäutig und muskulös. So stellte ich mir eine der beiden Töchter von Dolph Lundgren vor. Er südländisch, bärtig und mit Pferdeschwanz. Er hätte der ältere Bruder von Antonio Banderas sein können, weshalb ich ihn im Zwiegespräch mit mir selbst nur „den Spanier“ nannte.
Es war wie verhext. Konstant hielten meine Weggefährten eine Pace von 6“20. Trotzdem wurde der Abstand zu den anderen Läufern immer größer. Wiel fiel leider schon früh zurück. Stattdessen schlossen wir zu Henry auf. Wie hinter der Entenmutter watschelten Steph und ich im Windschatten hinter Henry her. Mariska lief mal neben uns, dann mal wieder vor uns, machte ein paar Fotos und schunkelte zur Niederländischen Blasmusik. Klaro – 15km sind eben keine konditionelle Herausforderung, wenn der Vater Dolph Lundgren heißt.
Erst an der Wasserstation auf dem Natteweg überholten wir mit Monika die erste Mitläuferin.
Mein Kopf pochte. Die Sonne knallte von oben und mir war viel zu warm. Ich trug das lange X-Bionic Unterhemd, darüber ein dickes Kalenji Langarmshirt und die Gore Laufweste. Zudem eine lange Lauftight, darüber eine kurze Tight und ein Neopren-Laufcap. Die Weste konnte ich noch öffnen, das Laufshirt hatte aber nur einen kurzen 15cm langen Reißverschluss unterm Kinn. Ich hätte am liebsten die Weste ausgezogen und weggeschmissen. Dafür war mir die Weste dann aber doch zu teuer.
Auf den ersten 3km hatte ich noch starke Schmerzen an der Aussenseite des rechten Fußes. Diese Schmerzen lief ich aber in den neuen saucony Ride 10 raus. Zwischen Kilometer 5 und 10 versuchte ich dann krampfhaft an Henry, Mariska und dem Spanier dran zu bleiben.
Musik gab es leider nur an wenigen Stellen. Die Strecke war zwischen der Guliksebaan und dem Hulsforthofweg vereinsamt, trisst und öde. Ich vermisste die Laufgesellschaft von Daniela und Bernd, die mir den Winterlauf um den Poelvennsee so schön kurzweilig gestaltet hatten.
Ab Kilometer 10 bekam ich zudem arge Magenprobleme. Das Multinorm Sport-Gel vermengte sich mit 2 Becher Wasser zu einer toxischen Giftbrühe, die schwer wie Wackersteine in meinem Magen lagen. Mir war übel, ich musste mehrmals aufstoßen, ich hatte mega Dampf auf dem Kessel und mein Kopf drohte zu explodieren.
Anstelle aber endlich einen Gang zurück zu schalten und sich meiner geplanten 7“00 Pace zu nähern, überholte ich Henry, der zunehmend langsamer wurde. Der Spanier und Mariska zogen mit. Nach ca. 12 Kilometern wählte der Spanier dann den längeren Kurvenweg und so überholte ich ihn ungewollt. Ich überlegte kurz langsamer zu werden und mich zurück in seinem Windschatten fallen zu lassen, aber er kam nicht ran und so lief ich mein eigenes Tempo weiter und schloss zu Jill auf, die ich aber dann schon wieder an der nächsten kleinen Steigung an der Hagerlei hinter mir lies.
Danach ging es zum zweiten Mal in die elend langweilige Runde um den Sportplatz der Scopias Atlehten. Der Streckenabschnitt war verlassen wie die Wüste Gobi und ich kämpfte einen verbissenen Kampf gegen meinen inneren Schweinehund. Auf der Lemmenstraat schaffte ich noch Loes zu überrunden und dann kam nichts mehr. Dachte ich!
Um die Ecke A73/Hulsforthofweg tauchte urplötzlich ein junges großes Mädel vor mir auf, die den wunderschönen Namen Elaine unter ihrer Startnummer trug. Elaine war gut und gerne 20 Meter weit weg, doch ich schaffte es in kürzester Zeit ranzulaufen. Mein Plan war auf den letzten Metern in ihrem Windschatten zu bleiben und das Rennen ruhig zu beenden. Doch da hatte sie etwas dagegen. Kaum war ich endlich in ihrem Dunstkreis, schlug sie ein Tempo ein, welches einer Rennschnecke gleich kam. Also lief ich wie in Trance meine Pace weiter und ab an ihr vorbei.
Auf dem letzten Kilometer wurde mir etwas schummrig und schwarz vor Augen. Ich nahm gar nicht mehr wahr, dass ich 20 Meter vor dem Ziel noch mal Fahrt aufnahm und einen weiteren Läufer überrundete. Als 400. Läufer von insgesamt 413 Läufern kam ich dann mit 1 Stunde und 35 Minuten ins Ziel.
Ich hatte es tatsächlich geschafft. Meine ersten 15km. Aber ich war zu erschöpft um mich zu freuen. Ich schleppte mich zum Auto, klemmte mich wie ein Zombie hinters Steuer und fuhr per Autopilot zurück nach Hause. Nach der heißen Badewanne legte ich mich sofort ins Bett und stand an diesem Tag auch nicht mehr auf.
Vielen Dank an meine Frau, die beste Ehefrau von allen, die mir zähneknirschend das Abendessen ans Bett brachte und meine Wehleidigkeit tapfer ertrug.
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