Santander Marathon – let’s dance in Mönchengladbach!
Fast hätte ich den Santander Marathon bzw. den Halbmarathon vergessen, weil mein Fokus ganz auf den 10-Freunde Triathlon in Frankfurt gerichtet war. Dann trudelte unerwartet meine Startnummer per Post ein und ich musste ein 2-Tage Tapering improvisieren.
Der Marathon durch Mönchengladbach bzw. der Halbmarathon für
den ich mich angemeldet hatte, wird auch der DJ Marathon oder der Musik-Lauf
genannt. Auf dem 10,5km langen
Rundkurs durch die Mönchengladbacher Innenstadt, wird man auf eine musikalische
Zeitreise mitgenommen. Daher hatte ich meine quietsch-orangen Tanzschuhe
angezogen und freute mich darauf, eine flotte Sohle auf den Mönchengladbacher Tanzasphalt
hinzulegen.
Backstage am Santander-Platz lernte ich Dennis alias D3nitz
und seinen Halbmarathon Tanzpartner kennengelernt. Beide waren top motiviert
den Halbmarathon zu finishen und nicht vor den Anstiegen oder der Schwüle aufzustecken.
Das war mir sehr sympathisch und ich liebäugelte mit dem Gedanken mich einfach
dran zu hängen.
Dann kam jedoch alles ganz anders. Punkt 11:15 Uhr startete
der Halbmarathon auf der Karmannsstraße.
Auf der Startgeraden traf ich Yavuz alias run.koelner1979
der spontan seine Tanzschuhe angezogen hatte und wie ich solo unterwegs war.
Das Schicksal hatte uns zusammen geführt und so beschlossen wir wenige Meter
hinter der Startlinie zusammen durch die Gladbacher Innenstadt zu tanzen und
eine richtig flotte Sohle auf’s Parket zu legen.
Naja… flotte Sohle für meine Verhältnisse. Mit einer Pace
von 6“20 bis 6“30 schwoften wir in Richtung Mönchengladbach Venn. Yavuz führte.
Manchmal gab er den Joachim Llambi und peitschte mich an schneller zu laufen,
meistens gab er den Jorge González, munterte mich auf und machte seine Späßchen
mit den Ordnern und Zuschauern. Es lief verdammt gut. Ich fühlte mich gut.
Auch die Anstiege waren kein Problem. Yavuz zeigte mir eine
spezielle Atemtechnik, um verbrauchte Restluft aus der Lunge zu pressen und mit
neuer sauerstoffreicher Luft zu füllen.
Wir flogen an den anderen Tanzpaaren vorbei. Keiner konnte uns das
Wasser reichen.
An der alten Ulme war der erste Quickspot. Dort dröhnte
Musik aus den 80er und 90er Jahre aus der Beschallungsanlage. Die Menge
jubelte. Einige Läufer rissen die Arme hoch und wippten zum Beat. Die Stimmung
war gut.
Der zweite Musik-Spot lag am Minto. Hier legte ein DJ Musik
aus den 90er und 2000er Jahre auf. Leider wurde hier bei unserem Durchmarsch
nicht die Toten Hosen gespielt, sondern hier war tote Hose. Der alte Markt, die
Hindenburgstraße und die Bismarckstraße glichen am Sonntagmittag einer
Geisterstadt. Es war gar nichts los!
Im Gründerzeitviertel wartete auf dem Schillerplatz der
dritte Quickspot. Hier legte ein DJ Musik aus den 50er und 60er Jahre auf.
Mit etwas Wohlwollen kann man sagen, dass hier etwas mehr Trubel
als auf einer drittklassigen Kuhdorf Kirmes herrschte. Es war zu spüren, dass
der Rhein-Ruhr Marathon in Duisburg und das Schützenfest der Bruderschaft St.
Sebastianus und St. Vitus Obergeburth Waldhausen Zuschauer absaugten.
Yavuz und mich störte es aber nicht. Wir tanzten unseren
Stiefel herunter.
Die erste Runde verging wie im Flug. Mit 1:10:24 flogen wir
über die Startlinie. Wir tanzen ganz großes Running. Wir zelebrierten den Paso
Doble. Leider stellten wir fest, dass uns jedoch keiner zusehen wollte. Wo vor
einer Stunde noch der Tanzbär tobte war jetzt gähnende Leere. Der
Santander-Platz war leergefegt wie die Wüste Gobi. Lediglich noch ein paar
verwaiste Ordner feuerten uns energielos an. Egal – wir tanzten weiter bis die
Füße bluteten.
Es ging ein zweites Mal raus nach Mönchengladbach Venn. Mein
Puls stieg. Ich pustete, kämpfte und biss mich Meter für Meter in Richtung Wasserturm.
Mein Laufstiel entwickelte sich zu einem Veitstanz. Yavuz’s nahm nun vollends
die Gestalt von Joachim Llambi an. Er ballte die Fäuste, er fluchte, er
schimpfte, er peitschte mich Meter für Meter weiter. Die Musik wurde leiser.
Yavuz’s Stimme wurde dumpfer. Die Gänsehaut auf meinen Armen wuchs zu einer
Luftpolsterfolie heran. Die Schweißtropfen auf meiner Kopfhaut brodelten. Ich
vernahm nur noch den Beat meiner Schläfen. 180 Puls! Ich war kurz vor dem
Knockout. Dankend nahm ich jeden Rasensprenger mit und torkelte vor jede Super
Soaker.
Vor dem Comet-Cine-Center kam er dann. Nicht unerwartet,
aber trotzdem aus dem Hinterhallt. Der Hammermann sprang auf die Tanzfläche und
knockte mich aus. Es ging nichts mehr. Ich gab meinem Tanzpartner ein Zeichen
alleine weiter zu laufen. Ich konnte nicht mehr, ich wollte nicht mehr.
Der Stecker war gezogen, die Jukebox verstummt. Elvis has
left the building!
Die anspruchsvolle Strecke durch Mönchengladbach ist eben
keine Tanz-Wander-Reise unter der Führung von Prof. Dr. Siegfried Macht,
sondern ein Höllentanz den Nanga Parbat rauf.
So hart wie der Llambi sein konnte, so menschlich konnte er
aber auch sein. Yavuz machte mir sofort klar, dass er mich nicht allein zurück
lassen würde.
Und so gingen wir das Stück bis zur Hindenburgstraße. Er
munterte mich weiter auf. Er ließ die bis dato großartige Performance Revue
passieren und gab mir Mut die letzten paar Kilometer noch durchzuhalten.
Langsam trabten wir die Hindenburgstraße runter. Mit Lambada hatte es nichts zu
tun. Es war noch nicht mal mehr ein langsamer Walzer. Aber wir bewegten uns
vorwärts.
Zieleinlauf war nach 2:35:01 am Geroensplatz – dem Hotspot
des Santander Halbmarathons.
Glücklich aber völlig fertig fiel ich dem Kölner in die Arme.
Es war geschafft. Auf Ex leerte ich zwei große Becher Bitburger 0,0% und pfiff
mir einen Kinder Schokoriegel rein. Der beste Schokoriegel meines Lebens. Noch
nie schmeckte Kinderschokolade so gut.
Fazit: Bis zur
Kilometermarke 15 lief alles nach Plan. Dann musste ich der Hitze und den
Anstiegen Tribut zollen und langsamer machen. Dank der Hilfe von Yavuz habe ich
mit 2:35:01 meinen zweiten Halbmarathon gefinished.
Dem viralen Shitstorm gegen den Santander Marathon möchte
ich mich bewusst nicht anschließen. Sicherlich ist es unglücklich eine
Konkurrenzveranstaltung zum Rhein-Ruhr Marathon auf die Beine zu stellen und
sicherlich waren nicht viele Zuschauer vor Ort und die Stimmung größtenteils
unterirdisch, aber die Organisation habe ich als sehr professionell empfunden.
Es waren genügend Verpflegungsstationen vorhanden und die Qualität der
gereichten Getränke und Lebensmittel hervorragend. Ganz vielen lieben Dank an
die wenigen, aber äußerst hilfsbereiten Mönchengladbacher Zuschauer, für die
privat aufgestellten Rasensprenger, für die privat gereichten Getränke und
vielen Dank an dem Mann der mir diesen riesen großen Eiswürfel gereicht hatte.
Abschließend möchte ich noch einen emotionalen Moment
teilen, der mich sehr nachdenklich gestimmt hatte. In Richtung Mönchengladbach
Venn saß am Seitenrand ein älterer Mann mit Sauerstoff-Nasenbrille im
Rollstuhl. Er war krank und sah sehr schwach aus. Aber als Yavuz und ich an ihm
vorbei liefen strecke er die Faust hoch und ich konnte ein Funkeln in seinen
Augen sehen. Ein Funkeln, welches mir verriet, dass er uns Kraft geben wollte,
dass er Freude empfand uns „Jungspurte“ anzufeuern und das es ihm wichtig war. Vielleicht hatte er
früher in jungen Jahren selbst an Volksläufen teilgenommen. Dieser Moment
berührte mich und führte mir vor Augen, wie dankbar ich sein sollte, zwei
gesunde Beine zu haben und laufen zu können. Nichts was wir Tag für Tag als
normal empfinden, ist selbstverständlich. Aber alles ist vergänglich.
Passt auf Euch auf!
Euer Läuferknie.
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